Spuckverbote in der Schule
Spucken wird zum Tabu und in der Schule?
Spucken wurde zum Tabu. «Mag sein, dass dieses Bedürfnis durch andere, etwa durch das Bedürfnis zu rauchen, kompensiert worden ist», meint Norbert Elias. Erlaubt ist öffentliches Spucken bloss in sublimierter Form. Als «Chriesistein-Spucken». Um diese Tätigkeit zu beflügeln, wurde vor einigen Jahren gar ein eidgenössischer Verband gegründet, der ordentliche Wettbewerbe veranstaltet. Meister schaffen an die 20 Meter Weite, Damen etwas weniger.
Doch sonst: nichts mehr von reinigender und heilender Wirkung. Den historischen Wertewandel musste unlängst ein Bundesrichter erfahren, der in Richtung eines Journalisten gespuckt hatte und danach bestritt, dass irgendeine schlechte Absicht damit verbunden gewesen sei. Vermutlich wollte er ja nur die berufsbedingte Bosheit im Journalisten austreiben - Pfui Teufel! - und sah sich dann mit der Tatsache konfrontiert, dass das Bundesgericht Spucken als Ekelbezeugung wertete. Liess dieses doch in einer Pressemitteilung verlauten: «Anspucken ist eine besonders niedrige Art, jemandem Verachtung und Hass zu zeigen. Selbst Kindern lässt man ein solches Verhalten nicht durchgehen. Bei einer erwachsenen Person lässt es darauf schliessen, dass sie dem andern nicht einmal mehr die minimalste Achtung zu zollen bereit ist.»
Wenn nicht nur Jugendliche in Schulhäusern und Profis auf Sportplätzen, sondern selbst Bundesrichter zu speien anfangen wie Lamas, wird es wohl definitiv Zeit, in Amtsräumen und in den Eisenbahnwagen die Emailtäfelchen und die guten alten Spucknäpfe wieder zu Ehren zu bringen.
Was tun gegen die Spuckerei auf dem Pausenplatz?
Das ungehemmte Ausspucken erfreut sich bei Schweizer Jugendlichen zunehmender Beliebtheit und verärgert so manchen Abwart. In Basel etwa sind es vor allem Jugendliche der Weiterbildungsschule (Oberstufe), die sich die Unsitte des Spuckens angewöhnt haben, wie Schulhausabwarte übereinstimmend berichten.
In Primarschulen ist das Phänomen kaum bekannt, eher selten tritt es auf Pausenplätzen der Gymnasien auf. «Dort, wo geraucht wird, wird auch gespuckt», beobachtet einer der Abwarte.
Die Spucker sind zu 90 Prozent männlich. Wenn einer mit dem Spucken beginne, ahmten andere Jugendliche dies schnell nach, stellt eine Abwartin fest. Nicht selten werde vor einer Putzfrau auf den Boden gespuckt, mit der Begründung, sie sei da, um das wegzuwischen.
Bestraft werden die Spuckenden nur, wenn sie in flagranti ertappt werden. Die Lehrerschaft kann verschiedene Strafen, auch Arrest, verhängen. Das beeindruckt die Sünder gemäss den Beobachtungen eines Abwarts aber wenig. Viel effektiver sei es, wenn er dem Täter ein Stück Papier gebe und ihn auffordere, das Ausgespuckte wegzuwischen. Das mache keiner zweimal. Das Erziehungsdepartement überlässt der Lehrerschaft das Strafmass und erliess keine Richtlinien.
Der Basler Grossrat Markus Borner von den Schweizer Demokraten wollte vor einem Jahr mit einer Interpellation ein Spuckverbot im öffentlichen Raum durchsetzen. Die Regierung ging jedoch nicht darauf ein. Die Polizei habe Wichtigeres zu tun, als Spuckenden nachzurennen und sie zu bestrafen, meinte damals Polizeidirektor Jörg Schild.
Borners Idee, in der Stadt Spucknäpfe aufzustellen, wurde ebenfalls abgelehnt. Borner sagt, er habe viele Reaktionen von empörten Frauen und Männern erhalten, die sich ebenfalls über die Spuckenden ärgerten. Mütter hätten etwa geklagt, Kinder könnten ja gar nicht mehr auf den Trottoirs spielen, ohne mit widrigem Auswurf in Berührung zu kommen. Quelle NZZ online leicht gekürzt http://www.nzz.ch/dossiers/2003/sars/2003.05.25-hg-article8VKTH.html